Ex-Kreml-Berater Guriev: Putin könnte trotz BRICS-Erweiterung in Südafrika verhaftet werden

Der ehemalige Kreml-Berater Sergei Guriev prognostiziert, dass Putin trotz BRICS-Erweiterung in Südafrika verhaftet werden könnte. Experten und Politiker debattieren im European Forum Alpbach, wie die Demokratie gegen Autokratie gewinnen könnte.

BİLAL BALTACI 30 Ağustos 2023 DE

Foto: Flickr

Inmitten der majestätischen Kulisse der Tiroler Alpen, üblicherweise von Sonnenschein durchflutet, öffnet das renommierte Forum Alpbach in diesem Jahr seine Pforten. Doch anstatt strahlender Himmelspanoramen sind es dichte Regenwolken, die sich über die Gipfel legen und eine fast schon verzauberte Atmosphäre schaffen. Doch nichts kann die begeisternde Stimmung trüben, die das malerische Alpbach durchdringt.

Seit dem Zweiten Weltkrieg fungiert das Forum Alpbach als Treffpunkt für Denker, Wissenschaftler und Diplomaten aus der ganzen Welt. Hier, in dieser abgeschiedenen Alpenregion, verknüpfen sich seit Jahrzehnten Akademie mit Praxis, Theorie mit Realität. Eine Tradition, die ihren Anfang in den Nachkriegswirren fand und bis heute den intellektuellen Austausch beflügelt.

In einem kleinen Saal, in dem die Stühle in einem einladenden Kreis arrangiert sind, taucht Catherine Ashton, die einstige Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, in die Tiefen der modernen Diplomatie ein. Unter den Augen gespannter Zuhörer präsentiert sie Einblicke aus ihrem neuesten Buch und lässt die Gäste in die Zeit eintauchen, in der sie Putin gegenüberstand. “Wie konnte das sein, dass die Europäer den Krieg nicht kommen sahen?”, fragen sich viele in unserem Kontinent, so auch in Alpbach. “Putins Beziehung zur Europäischen Union war schon damals nur transaktionaler Natur”, beschreibt die Ex-Politikerin. “Ich wollte, dass die EU mutiger agiert, habe es aber nicht gesehen.” Die Frage nach der Zukunft: “Dieses Problem kann nicht mit einem Russland unter Putin gelöst werden. Wenn Putin jedoch geht, denke ich, dass es einige Entwicklungen geben könnte.”

Unterdessen versammeln sich im prächtigen Herz-Kremenak-Saal Hunderte von Gästen zur Diskussion “Demokratie vs. Autokratie”. Auf der Bühne sind Prominente wie Alexander Soros, der Sohn von George Soros und Vorsitzende der Open Society Foundations, ehemaliger Kreml-Berater Sergei Guriev und die österreichische Europaministerin Caroline Edtstadler. Shalini Randeria, Präsidentin und Rektorin der Central European University, die wegen Orban von Budapest nach Wien umsiedeln musste, taucht ohne viel Verzögerung in das Thema ein. “Autokraten behaupten, dass sie demokratisch gewählt werden. Wie erkennen wir sie?”, fragt die Moderatorin. “Autokraten haben einen ‘Werkzeugkasten’ entwickelt und lernen voneinander. Sie kontrollieren nach einer gewissen Zeit die Justiz, danach die Medien und so weiter”, erklärt Guriev. Ein weiterer Experte, Ivan Krastev, macht sich sofort bemerkbar. Mit seiner zynischen Art und seinem Scharfsinn bringt er es auf den Punkt: “Autokraten versuchen, Wahlen als Krieg darzustellen. Allerdings gewinnen in demokratischen Ländern diejenigen, die Wahlen gewinnen, nicht viel, und diejenigen, die Wahlen verlieren, verlieren nicht viel”, sagt Krastev. Das wichtigste Merkmal von Wahlen in demokratischen Ländern sei, dass sie Hoffnung für die Zukunft geben. “Menschen wissen, dass sie es ändern können, indem sie es nach ein paar Jahren noch einmal versuchen. Dies ist in autoritären Regimen nicht der Fall.”

Foto: Bilal Baltacı

Im selben Atemzug ergreift Alexander G. Soros das Wort, um über die BRICS-Staaten zu sprechen. “Man sollte nicht überdramatisieren, welche Sanktionsmacht andere Länder gegenüber autokratischen Staaten haben”, meint er. Als Beispiel führt er Russland an und verweist auf dessen isolierte Position. “Die BRICS-Staaten haben keine gemeinsame Politik. Wenn Putin nach Südafrika geht, könnte er vielleicht sogar verhaftet werden”, sagt Soros. Die BRICS-Länder haben zwar in den letzten Tagen eine Erweiterung beschlossen. Die Gruppe der Schwellenländer Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika hat beschlossen, Iran, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Ägypten, Äthiopien und Argentinien als “vollwertige Mitglieder” einzuladen, sagte der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa beim Gipfel in Johannesburg. “Die BRICS-Staaten haben keine gemeinsame Politik. Wenn Putin nach Südafrika geht, könnte er vielleicht sogar verhaftet werden”, beruhigt Guriev die Europäer. Als Beispiel nennt er die New Development Bank. Die BRICS-Bank mit Sitz in Shanghai hat angekündigt, keine Investitionen mehr in Russland zu tätigen. Die Diskussionen ziehen ihre Spuren wie lebendige Flüsse des Denkens durch das Forum Alpbach. Die globalen Fragen und Herausforderungen der heutigen Zeit werden inmitten dieser Bergkulisse beleuchtet, während die Wolken über den Gipfeln spielen und die Diskurse genauso lebhaft sind wie die Alpenluft. Europa ist zweifellos ein Vorbild, was Demokratie betrifft. Zwar gesteht die Bundesministerin Edtstadler die Unzulänglichkeit in Bezug auf Polen und Ungarn, doch glaubt sie, ein effizientes Mittel gefunden zu haben. “Besonders gut funktioniert es, wenn EU-Gelder erst ausgezahlt werden, nachdem diese Länder in problematischen Bereichen der Justiz Fortschritte gemacht haben.”

Das Forum Alpbach, in dem die Gespräche wie ein beeindruckendes Panorama der Ideen fließen, wird zweifellos in diesem Jahr wieder im Zentrum des intellektuellen Austauschs stehen. Mit der Teilnahme von Bundespräsident Van der Bellen verspricht der kommende Tag weitere faszinierende Einblicke in die Weltpolitik und die Kämpfe um Freiheit und Demokratie. Die kämpfende belarussische Oppositionsführerin Sviatlana Tsikhanouskaya war schon am letzten Wochenende in Alpbach.

Die Wolken, die sich hartnäckig über den Berggipfeln legen, können nicht verhindern, dass das Forum Alpbach in vollem Glanz erstrahlt. Die Natur mag ihre Kapriolen spielen, aber die Kraft des Dialogs und des Denkens ist nicht zu bremsen. Und Guriev bleibt weiterhin positiv: “Die Tatsache, dass Autokraten wie Demokraten aussehen möchten, zeigt uns, dass Demokratie beliebt und populär ist.”

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