Die EU sucht eine neue Richtung in ihren Beziehungen zur Türkei. Andreas Ernst argumentiert in der Neuen Zürcher Zeitung, dass eine Wiederaufnahme der Beitrittsverhandlungen unwahrscheinlich ist, während ein Entzug des Kandidatenstatus unnötig erscheint.
In einer sich ständig verändernden geopolitischen Landschaft versucht die Europäische Union, ihre Beziehung zur Türkei neu zu definieren. Ein Kommentar in der Neuen Zürcher Zeitung, verfasst von Andreas Ernst, beleuchtet die jüngsten Entwicklungen und die drängenden Fragen, die sich rund um dieses Verhältnis ergeben.
Andreas Ernst zitiert aus seinem Kommentar und hebt hervor, dass eine Wiederaufnahme der Beitrittsverhandlungen derzeit nicht zur Debatte steht und für beide Seiten nicht oberste Priorität hat:
“Eine Wiederaufnahme der Beitrittsverhandlungen steht nicht zur Debatte. Auch für Ankara ist das zweitrangig. Die Türkei versteht sich als strategisch autonome Mittelmacht, die ihre Interessen von Fall zu Fall definiert und selber entscheidet, mit wem sie sich bindet. Daran ändert auch die Nato-Mitgliedschaft nichts.”
Der Kommentar argumentiert auch gegen einen Entzug des Kandidatenstatus und weist darauf hin, dass dies unnötig und möglicherweise schädlich wäre:
“Es wäre dennoch falsch, würde die EU dem Land den Kandidatenstatus entziehen, wie das im EU-Parlament manche fordern. Zum einen wäre dies eine unnötige Kränkung, weil aus der Mitgliedschaft so bald ohnehin nichts wird. Zum andern kann nicht ausgeschlossen werden, dass die neoosmanische Strömung eines Tages abreißt. Die Türkei hat auch eine laizistische Tradition und eine Bürgergesellschaft, der eine Renaissance zuzutrauen ist.”
EU sucht neue Wege
Darüber hinaus unterstreicht der Kommentar, dass die nächste Erweiterungsrunde der EU völlig anders verlaufen wird als bisherige, und dass die Türkei möglicherweise in ein neues, differenziertes Integrationsmodell passen könnte, insbesondere im Vergleich zu anderen Ländern wie der Ukraine, Moldau und den Westbalkanstaaten:
“Und schließlich sollte der Kandidatenstatus auch deshalb nicht gekündigt werden, weil die nächste Erweiterungsrunde sowieso ganz anders verlaufen wird als alle bisherigen. Für die Ukraine, die Moldau und die Westbalkanstaaten wird Brüssel ein neues, differenzierendes Integrationsmodell finden müssen. Vielleicht passt da die Türkei dann doch irgendwie hinein.”
In Anbetracht dieser sich entwickelnden geopolitischen Faktoren sucht die EU nach einer neuen Richtung in ihrer Politik gegenüber der Türkei. Die Zukunft dieser Beziehung bleibt ungewiss, aber sie wird zweifellos weiterhin von großer Bedeutung für beide Seiten sein.