Die Verfassungsänderung im Jahr 2017 ermöglichte Präsident Erdoğan eine dritte Amtszeit. Nun strebt er offenbar eine vierte an, trotz selbstbestimmter Begrenzungen.
Die politische Landschaft der Türkei unter Präsident Recep Tayyip Erdoğan entwickelt sich in eine Richtung, die weitreichende Auswirkungen auf die Zukunft des Landes und seine demokratischen Institutionen haben könnte. Erdoğan verfolgt das ehrgeizige Ziel, eine vierte Amtszeit als Präsident anzustreben, obwohl die geltende Verfassung eines derartigen Schritt entgegensteht. Gleichzeitig erwägt seine Partei umfassende Verfassungsänderungen, die seine vierte Amtszeit ermöglichen könnten.
Die derzeitige türkische Verfassung erlaubt einem Präsidenten höchstens zwei Amtszeiten. Im Jahr 2017 führte die Türkei eine umfassende Verfassungsänderung durch, die das politische System des Landes drastisch veränderte. Eine der entscheidenden Änderungen war die Einführung eines Präsidialsystems, das dem Präsidenten erhebliche Befugnisse und die Möglichkeit einräumte, für bis zu zwei aufeinanderfolgende Amtszeiten von jeweils fünf Jahren zu kandidieren.
Suche nach einem demokratischen Mäntelchen
Recep Tayyip Erdoğan, der bereits vor dieser Verfassungsänderung zwei Amtszeiten als Präsident absolviert hatte, nutzte diese Gelegenheit und wurde im Jahr 2018 erneut zum Präsidenten gewählt. Dies bedeutet, dass er unter der veränderten Verfassung, die 2017 in Kraft trat, bereits eine dritte Amtszeit als Präsident angetreten hat.
Erdoğan hat bereits drei Amtszeiten absolviert und steht daher vor der Herausforderung, eine vierte Amtszeit zu erreichen. In diesem Kontext kursieren Berichte, dass die AKP erwägt, die Verfassung zu ändern, um diese Begrenzung aufzuheben. Konkret müsste Artikel 101 der Verfassung modifiziert werden, der festlegt, dass “eine Person höchstens zweimal zum Präsidenten gewählt werden kann”.
Erdoğan hat öffentlich betont, dass die Türkei eine “zivile, liberale Verfassung” benötigt, um die Demokratie zu stärken. Auf den ersten Blick klingt dies nach einem positiven Schritt zur Stärkung der demokratischen Grundlagen des Landes. Doch Kritiker und politische Beobachter befürchten, dass diese Reformen in Wirklichkeit darauf abzielen könnten, Erdoğans politische Zukunft zu sichern, anstatt die Demokratie zu fördern. Es ist eine heikle Angelegenheit, da die Türkei bereits in den letzten Jahren eine Verschärfung der politischen Repression und eine Zentralisierung der Macht erlebt hat.
Vorbild Putin?
Die Entwicklungen in der Türkei unter Erdoğan weisen Parallelen zu Russland auf. Wladimir Putin hat seine Macht und seine Amtszeiten als Präsident Russlands auf verschiedene Weisen verlängert oder gesichert. Nach seiner ersten Amtszeit als Präsident von 2000 bis 2008 und einer kurzen Periode als Premierminister, kehrte er 2012 in das Präsidentenamt zurück und blieb bis heute im Amt.
Zunächst wurde Putin 2000 zum Präsidenten gewählt und diente zwei aufeinanderfolgende Amtszeiten bis 2008. Gemäß der damaligen russischen Verfassung war es ihm nicht gestattet, für eine dritte Amtszeit zu kandidieren. Um dennoch an der Macht zu bleiben, übernahm er 2008 den Posten des Premierministers unter Präsident Dmitri Medwedew, der als sein Vertrauter angesehen wurde.
Während Putins Amtszeit als Premierminister blieb er einflussreich und behielt die Kontrolle über die politische Landschaft Russlands. 2012 kandidierte er erneut für das Präsidentenamt und wurde gewählt. Infolge dessen trat eine Änderung der Verfassung in Kraft, die die Amtszeiten des Präsidenten von vier auf sechs Jahre verlängerte. Dies ermöglichte es Putin, zwei weitere Amtszeiten als Präsident zu absolvieren.
Darüber hinaus wechselte Putin während seiner dritten Amtszeit 2020 das politische System in Russland, indem er eine umfangreiche Verfassungsänderung durchführte. Diese Änderungen ermöglichten es ihm, sich nach Ablauf seiner derzeitigen Amtszeit 2024 erneut um das Präsidentenamt zu bewerben und ihm potenziell weitere zwei Amtszeiten zu ermöglichen.